Feuerwehrmänner und Brandstifter

„Bei Suchtmitteldelikten werden neunundneunzig Prozent von Nichtösterreichern begangen.“

Wer das über die heimische Drogendelinquenz sagt, ist nicht irgendwer, sondern Wolfgang Sobotka. Und er sagt das nicht als Privatmann in trauter Runde an einem Niederösterreichischen Stammtisch, sondern als Innenminister, als Regierungsmitglied.

Die Zahl hat nur einen Schönheitsfehler. Sie stimmt nicht.

Was Sobotka als Ressortchef wissen muss, wenn er auch nur einen flüchtigen Blick auf die tatsächlichen Zahlen der Statistik wirft. Die weist einen Ausländeranteil von deutlich unter der Hälfte aus, quer über alle Zusammenhänge und Unschärfen. Folglich ist die Aussage nur als eines interpretierbar – als ausländerfeindliche Hetze. Ausländerfeindlich, weil Menschen mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft unterstellt wird, für praktisch die komplette Drogendelinquenz in unserem Land verantwortlich zu sein. Hetze, weil Sobotka bewusst mit falschen Zahlen um sich wirft und damit ein Feindbild zementiert, an dem das rechte politische Spektrum seit Jahren mauert.

Was bedeutet das für die Glaubwürdigkeit der Regierung, die politische Kultur in diesem Land?

Zuerst einmal, dass der Innenminister nachweislich nicht die Wahrheit sagt. In einer seriösen Demokratie ist das ein Rücktrittsgrund.

Zum Zweiten sät Sobotka damit Hass und gefährdet den sozialen Frieden in Österreich. Es ist damit zu rechnen, dass vielerorts die neunundneunzig Prozent unreflektiert übernommen werden und damit Fremdenhass geschürt wird. In einem anderen Zusammenhang würde der Boulevard natürlich von einer Hasspredigt schreiben. Zurecht, der Mechanismus ist derselbe. Hier die Guten, dort die Bösen. Wo er schon einmal dabei war, Öl ins Feuer zu gießen, hat er auch gleich vorgeschlagen, die Mindestsicherung an gemeinnützige Arbeit zu knüpfen und sie Asyberechtigten erst nach einer fünfjährigen Wartefrist zuzugestehen. Das ist keine Zwangsarbeit, wie manche Kritiker meinen. Aber Brandstiften für Profis. Im Zusammenhang mit integrativen Maßnahmen käme einem Innenminister eher die Aufgabe eines Feuerwehrmanns zu.

Zum Dritten ist zu prüfen, ob mit der öffentlichen Pauschalierung von Nichtösterreichern im Zusammenhang mit Drogendelinquenz der §283 StGB der Verhetzung anwendbar ist.

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird nichts davon eintreten.

Der Innenminister darf in einem Zeitungsinterview ungestraft haarsträubende Zahlen nennen, die geeignet sind, Stimmung gegen Ausländer im Allgemeinen und Asylberechtigte im Besondern zu schüren. Er kalkuliert zurecht mit einem Beißreflex bei breiten Gruppen der Bevölkerung. Wenn seinen Worten Taten folgen – was früher oder später geschehen wird-, wird er sich nicht verantwortlich fühlen.

Dass sein Sprecher hinterher eine Statistik aus dem Ärmel geschüttelt hat, laut der tatsächlich 99% aller Wiener Dealer, die nach einem neu geschaffenen Gesetz erwischt wurden, keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, ändert nichts an der Optik. Es handelt sich übrigens in dem Fall um ein Gesetz, das umgesetzt wurde, indem die Wiener Exekutive die Presse einlud, dabei zuzusehen, wie entlang der U6 jeder gefilzt wurde, der nicht nordisch genug aussah. Jetzt braucht man Drogenhändlern keine Sympathie entgegenzubringen. Dasselbe gilt allerdings auch für die Praxis, mit der das Gesetz exekutiert wird.

Politische Kultur äußert sich nicht darin, dass der Innenminister von Prölls Gnaden panisch und mit Vollgas die FPÖ rechts am Pannenstreifen überholt. Sie würde sich darin äußern, sozial friedenssichernde Maßnahmenpakte zu schnüren, zu deeskalieren und über die Legislaturperiode hinaus zu denken. Doch dafür sind die Personaldecken in den Parteien, wie es scheint, zu dünn.

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