Die Wirtschaft

3.2.2013

Die Wirtschaft. Das ist eine Ansage, hier bei uns. In Österreich, also. Eine Kampfansage, ein Nudelsieb, das die Guten durchlässt mit einem Passierschein von der Zentralen Kompetenzvergabestelle. Und die Anderen mit einem herzhaften „It’s the economy, stupid!“ wegweist von den Fleischtöpfen von Ansehen, Macht und Kontostand, denen sie irrig entgegen strebten.

Der oder die kommt aus der Wirtschaft – ehrfürchtig vorgebrachtes Mantra, das Oben von Unten, Leistungsträger von Leistungsbezieher scheidet und Generalabsolution für noch den bizarrsten Jahresbonus ist.

Wirtschaft, da ist Mucke drin. Eine wundertätige Managementkaste, weit gehend unberührt von den Niederungen des Alltags, der Politik oder gar der Justiz. Weit gehend unberührbar, Zahlenzauberer, über die die Wirtschaftspresse am Bauch liegend zu schreiben pflegt.

Bilder von Patriarchen, die mit eiserner Hand und barockem Gepränge die Zügel der Quadriga in der Hand halten und unbotmäßige Fragen als Akte von Häresie ahnden. Bilder von schneidigen Sanierern, die mit genagelten Schuhen und designed wehenden Rockschößen ein Unternehmen betreten, worauf drinnen eine Stampede ausbricht und eine Herde von downgesizedem Management nach goldenem Händegeschüttel auf ebenso genageltem Schuhwerk hinausgaloppiert. Nur mit etwas höher wenden Rockschößen.

Bilder von Meetings, in denen Rechts-, Links- und Geheimnisträger sich im Glanze ihrer Bedeutsamkeit für den Fortbestand des shareholder value sonnen.

Denn sie kommen aus der Wirtschaft.

In Österreich, immer noch einem der reichsten Länder der Welt, gilt der selbe Trend wie in den meisten vergleichbaren Staaten: Stagnierende oder sinkende Einkommen treffen auf explodierende Unternehmensgewinne. Was logisch ist. Das Eine bedingt das Andere.

Dass wir es hier nicht mit linearen Entwicklungen zu tun haben, dass kontinuierliches Wirtschaftswachstum um eine bestimmte Prozentzahl eine Exponentialfunktion ist; das kann jeder Gymnasiast ausrechnen. Das Ergebnis, erinnern wir uns, ist eine Kurve, die hurtig und immer steiler der Unendlichkeit entgegenstrebt. Geht sich nicht aus. Wissen wir. Wie kommt es, dass wir trotzdem so tun als ob? Als ob die Wirtschaft wüsste, was sie tut. Als ob es da einen Menschenschlag gäbe, der kraft Privatoffenbarung und agglomeriert hinter einer Milchglasscheibe mit betriebs- und volkswirtschaftlichen Grundlagen Schlitten fährt.

Betriebswirtschaftliche Entscheidungen und Geldflüsse versprühen derzeit eine Art südamerikanisches Flair. Entsprechen dem guten alten „Take the money and run“-Spiel. Nachdem die schneidigen Sanierer die für sie vermutlich ausgesprochen erheiternde Erfahrung gemacht haben, dass kürzestfristige Unternehmensgewinne durch Einsparung von Personal und Abgabenleistung zwar der Volkswirtschaft schaden, aber ihrem Kontostand nützen und praktischerweise ansonsten für sie folgenlos bleiben, hat sich dieses rechnerisch unbrauchbare Konzept durchgesetzt.

Jeder Wirtschaftsstudent im ersten Semester weiß auswendig, dass sinkende Einkommen sinkende Kaufkraft erzeugen, die wiederum sinkenden Konsum und damit sinkende Unternehmensgewinne nach sich ziehen. So weit, so selbstverständlich. Das Originelle daran ist, dass man’s nicht gleich merkt. Dass diese Einkommensbezieher eine gewisse Zeitlang in eine Reihe von Transferleistungstöpfen und Versicherungen eingezahlt hat, die für einen Verzögerungseffekt sorgen. Bis jemand hergeht und fragt, wo das viele schöne Geld hingegangen ist, vergeht genug Zeit, um im Anlassfall eine anonyme Krise auszurufen, an der niemand so richtig Schuld trägt.

So eine Krise ist ja quasi eine Himmelsmacht, so ein schicksalshaftes Nebelfeld, in dem Freund und Feind die Konturen verlieren, eine force majeure mit eingebauter Solidarhaftung.

Moderat steigende Unternehmensgewinne mit spürbar steigenden Gehältern zu koppeln, das Prinzip Nachhaltigkeit in der Betriebswirtschaft; das wirkt altbacken, sehr old school.

Spürbar ist jetzt schon, dass mangels breit gestreuter Kaufkraft der private Konsum schwächelt. Das ist bei der oben skizzierten Art des Wirtschaftens normal und war abseh- und errechenbar. Das Luxussegment profitiert erwartbarer Weise von Bonus, Prämie und anderer mehr oder minder legaler Abschöpfung von Gewinnen, der Diskontbereich am anderen Ende des Konsumspektrums tut das Selbe. Die Mitte verschwindet. Nichts, worüber sich jemand wundern müsste.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Bandbreite der Reaktionen im Managementbereich. Sie vollzieht die selbe Entwicklung, verliert die Mitte und teilt sich auf zwei sehr konträre Schulen auf.

Der einen Schule begegnen wir auf den Wirtschaftsseiten, einer Art Unternehmensführung mit zunehmend menschlichem Antlitz, der Fraktion, die schon zum Frühstück herzhaft Kreide nascht. Das sind die kooperativ Führenden, die, die Mitarbeiterbefragungen durchführen. Durchführen lassen, selbstverständlich. Die wissen, dass dieses Instrument, korrekt von externer Seite durchgeführt und verwertet, Mitarbeiterzufriedenheit und damit satte Gewinne bringt. Das sind die, die wissen, dass Leistung, die gesehen und belohnt wird, fast unausweichlich zu mehr Leistung führt.

Und auf der anderen Seite? Da steht, eine Art neosowjetischer Jack-in-the-box: Lenin. Sagt „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“.

Stefan Peters

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