Kann ich das Gefühl haben, reicher zu werden, wenn ich weniger habe? Oder lüge ich mir da in den eigenen Sack? Wie fühlt sich der sprichwörtliche Fuchs, dem die sauren Trauben zu hoch hängen? Ein Paradox auf den ersten Blick. Riskieren wir einen zweiten auf das Prinzip hinter der Suffizienz.
Die drei Enzen
Wenn es einen Wettbewerb gibt für die Kunst, in drei Worten einen vieldimensionalen Sachverhalt auf den Punkt zu bringen: Voilà, da ist er. Weniger, aber besser. So geht Suffizienz. Um sie in eine Geschwisterreihe dreier Enzen einzuordnen, stellen wir auch gleich Effizienz und Konsistenz ins Scheinwerferlicht. Weil die Drillinge gerne zugleich auf die Bühne springen, werde ich sie an dieser Stelle auseinanderdividieren.
Effizienz also. Das heißt, Mittel wirkungsvoller als zuvor einzusetzen. Heißt beispielsweise, weniger Sprit, mehr PS. Und wer Konsistenz sagt, meint Ressourcen aus neuen Quellen. Windkraft statt Kohlekraft. Klar, die beiden sind immer mit dabei, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Ja, eh sind sie wichtig. Aber, und es ist ein großes Aber: wenn dir nicht gerade eine Autofabrik oder ein Solarkraftwerk gehört, bist du nix als Konsument*in mit mehr oder weniger Kaufkraft. (Für den Fall, dass doch: Streng dich an! Da geht noch was.)
Am Steuerrad drehen
Bleibt die Suffizienz. Wir Menschen wollen etwas bewirken. Haus bauen, Baum pflanzen, Kind zeugen, sowas in der Art. A propos. Schon Säuglinge, wenn sie durch Kopf- und Augenbewegungen ihr Mobile über dem Kinderbettchen in Bewegung setzen können, sind lebhafter und fröhlicher als Kinder, bei denen das Mobile tut, was es will.

Das Verlockende an einem suffizienten Lebensstil ist, dass du auf der Klaviatur des Weniger, aber besser nicht nur eine Taste hast, die du anspielen kannst, sondern gleich einige Oktaven, praktisch Konzertflügel. Um beim Bild zu bleiben: Du wirst sehen, wie harmonisch sich das eine zum anderen fügt.
Eine Frage des Lebensstils
Das ist ein Gesamtkunstwerk an Entscheidungen, die dein Zuhause, deinen Job, deine Freizeit, Mobilität, Ernährung und dein soziales Umfeld beeinflussen. Entscheidungen, für die du jeden Tag Verantwortung übernimmst. Wir werden gemeinsam viele dieser Lebensbereiche abklopfen und uns sehr genau ansehen, wo und wie wir uns das Leben leichter machen können. Wir werden uns einige Dinge vorknöpfen, an die wir fest zu glauben gelernt haben. So fest, dass wir bisher noch nicht auf die Idee gekommen sind, dass es auch ganz anders (besser) sein könnte. Es gibt so viel in unserem Leben, das zu haben, zu vermehren, zu erleben wir gelernt haben. Eine der Fragen, die wir uns hier stellen könnten, ist, wer uns das gelehrt hat und in welchem Zusammenhang. Und eine der schönen Gewissheiten, die uns weiterbringen, ist, dass wir all das, was wir gelernt haben, auch wieder verändern können. Das steht uns frei.
Mit leichtem Gepäck
Einen Lebensstil mit all seinen Situationen, Ritualen und eingefahrenen Wegen zu verändern, braucht Zeit. Und Notwendigkeit. Ich lehne mich jetzt ein bisschen aus dem Fenster und vermute, dass du dich für die Erleichterung deines Alltags interessierst. Wenn das für dich kein Thema ist, freue ich mich zwar auch darüber, dass du diesen Blog liest. Ich verstehe es nur nicht. Was dir auch in dem Fall egal sein kann. Aber zurück zur Notwendigkeit. Stell dir vor, du hättest die Chance, an irgendeinen Sehnsuchtsort deiner Wahl zu ziehen, an einen Ort, der, sagen wir, mindestens tausend Kilometer weit entfernt ist von dort, wo jetzt gerade wohnst. Behaupten wir, dass es dort eine Wohnung oder ein Haus gibt und einen Job, der dir passt, und dass die Menschen, mit denen du dorthin gehst, einverstanden und versorgt sind. Der klitzekleine Haken daran ist, dass du gerade einmal soviel mitnehmen kannst, wie in zwei bis drei mittelgroße Kisten hineinpasst, und dass du alle anderen Dinge, Mitgliedschaften, Versicherungen und andere Bindungen an den Ort, an dem du gerade bist, zurücklassen musst. Das ist jetzt der Zeitpunkt, an dem du bemerkst, welche Art von Lebensstil du pflegst. Welche Notwendigkeiten kommen auf dich zu? Wovon trennst du dich, was muss mit? Welche Mitgliedschaften, Versicherungen, Abonnements musst du kündigen, von wem musst du dich verabschieden? Welche dieser Abschiede schmerzen dich, wovon wolltest du dich schon lange trennen?
Schreib es auf!
Wenn du Lust hast, setz dich an dieser Stelle hin und schreib all das auf eine Liste. Selbst wenn du nicht demnächst an einen Sehnsuchtsort deiner Wahl umziehst, hast du damit Schwarz auf Weiß eine Aufstellung von Ballast, den du genauso gut gleich abwerfen könntest. Schon diese Vorstellung gibt dir einen Vorgeschmack von einem Lebensstil, mit dem du es dir ganz leicht machst.
Ach ja. Eventuell hast du gelernt, dass es verboten ist, es dir leicht zu machen. Stell dir doch einmal die Frage, wer dich das gelehrt hat und was dir das Gelernte heute nützt. Und dann leg alles beiseite und mach dir einen leichten Tag.
Hier geht’s zu Infos zu Stefan Peters