Darf’s ein bisserl mehr sein? Warum belohnen wir uns mit Masse, und wem nützt das wirklich? Von Prozenten, Zweipluseins und Vorteilspack.
Den Spieß umdrehen
Es ist schon faszinierend: In der bunten Warenwelt bekommen wir immer wieder die Chance, es denen zu zeigen. Zurückzuschlagen. Denen. Den Erzeugern und Händlern von Käse, Spielzeug, Bier, Schokolade, kurz, den Großindustriellen, die uns das sauer verdiente Geld aus der Tasche ziehen. Dann aber gelingt es uns, den Spieß umzudrehen. Auf Gleich zu stellen. Dann nämlich, wenn wir Multipack kaufen. Und dabei fünfundzwanzig Prozent sparen. Oder Zweipluseinsgratis kriegen, gefühlt ein Sieg gegen den Kapitalismus.
In meiner Jugend gab es bisweilen Aktionsbutter, die mit der orange-silbrigen Verpackung, wer sich erinnert. Die Mutter eines Freundes schickte uns einmal mit einem Hundertschillingschein hinunter zum Supermarkt, wir brachten fünf Kilo Butter zurück. Die verschwand dann im Tiefkühlschrank. Vielleicht ist sie heute noch dort.
Auf zum fröhlichen Jagen!
Multipack, das ist ein unwiderstehlicher Trigger unserer Jagdlust. Hat wahrscheinlich irgendwas Stammesgeschichtliches. Wenn du die Chance hast, Vorräte für schlechte Zeiten anzulegen, dann nütze sie. Das ist wie bei den Preppern (die hatten wir schon).
Allein die Information, dass ein Konsumgut jetzt weniger kostet als zuvor, lässt uns spontan alle Vernunft über Bord werfen. Weil das Beuteschema siegt, und das Gefühl, sich einen Vorteil zu verschaffen. Jetzt bin ich kein Biologe, tippe aber auf das gute alte Reptiliengehirn, das hier aus seinem Versteck springt und Kill! schreit. Schneller, stärker, brutaler, koste es, was es wolle.

Würden wir aber bei der Lektüre eines Supermarkt-Flugblatts unser rational denkendes Hirn eingeschaltet lassen, dann wäre die Erkenntnis ungefähr folgende: Wenn ich an einer bestimmten Ware keinen zwingenden Bedarf habe, dann benötige ich erst recht nicht zwei oder drei Stück davon. Sehr viel wahrscheinlicher ist es, dass das Zeug früher oder später in meinem Mistkübel landet. Weil‘s niemand braucht und es bald ranzig wird wie Aktionsbutter. Die Alternative wäre, alles aufzuessen, schnell, bevor es abläuft. Was das auf Dauer aus uns macht, das ist erschreckend eindrucksvoll in der US-amerikanischen Junk-Food-Doku Supersize me zu sehen. Denn interessanter Weise sind es kaum jemals die gesunden Dinge, die im Multipack locken. Die Faustformel lautet: Je höher der Anteil an Pflanzenprotein, an Vollkorn, an Ballaststoffen und Vitaminen, desto einsamer die Packung.
Cui bono?
Umgekehrt betrachtet ergibt die Sache mit dem Multipack natürlich Sinn. Wenn ich die Konsument*innen mit dem Sparversprechen schon in meinem Geschäft habe, also am Point of Sale, dann kaufen sie andere Sachen auch. Multipack, das heißt natürlich, dass zwei- oder dreimal ein paar Prozent weniger Gewinn am Ende des Tages für den Handel trotzdem mehr Gewinn ergeben. Weil ich eine größere Stückzahl verkaufe. Und nicht zuletzt, auch ein Kalkulationsfaktor, verschiebe ich Lagerhaltungskosten zu den Konsument*innen, die all die Ware daheim bunkern.
Variationen von Multipack, die künstlich Bedarf erzeugen, sind Restposten, Eröffnungs- oder Schlussangebote, Exklusivangebote und Rabattmarken. All das zielt auf Belohnungsmechanismen ab, die unser Hirn mit Good Vibes fluten, einem Hochgefühl, gewonnen zu haben. Das ist dann aber auch schon unser einziger Gewinn. Denn die Frage nach dem wirtschaftlichen Cui bono? führt immer zu Produktion und Handel.
Spannend auch das Vorteilsversprechen, das uns allerorten das Netz gibt. Wenn ich heute das Wort Aktionsbutter google, bekomme ich eine Ergebnisseite voller Rabattplattformen, die mich darüber informieren, welche Supermarktkette aktuell Butter in der vergünstigten Mehrfachpackung anbietet. Nach welcher Ware ich suche, macht übrigens keinen Unterschied. Das Ergebnis ist stets dasselbe: Multipack. Das ist cool, da ist so ein Robin-Hood-Moment dabei – Plattformen, die uns Konsumenten gegen die Marktmacht verteidigen. Ja, eh.
Wenn ich auf der Website einer großen Rabattsuch-Plattform den Backstage-Bereich betrete, lande ich bei einem Unternehmen, das in erster Linie Aktionsflugblätter für Handelsunternehmen produziert. Eine andere große Plattform verschafft laut eigener Aussage Herstellern und Händlern Zugang zu einer der reichweitenstärksten und attraktivsten Konsument*innengruppen Österreichs. Soviel zu Robin Hood.
Allerdings – weil sich die Zeiten auch gern erfreulich entwickeln dürfen – strengt aktuell der VKI, der Verein für Konsumenteninformation, eine Verbandsklage an. Im Auftrag des Sozialministeriums klagt der Verein einige große Supermarktketten, weil die als Basis für ihre Rabattaktionen Preise heranzogen, die sie kurz zuvor deutlich erhöhten.

Pack’s in ein Sackerl
Wozu das alles? Wozu Dinge mehrfach kaufen, von denen ich bei Licht betrachtet nicht einmal eins benötige? Setz die Suffizienzbrille auf. Und iss eine Kleinigkeit. Dass es einen gewaltigen Unterschied macht, ob du satt oder hungrig einen Supermarkt betrittst, ist eine bekannte Tatsache. Es wirkt, und wann immer es mir möglich ist, halte ich mich dran. Was übrigens auch hilft, das Notwendige vom Überflüssigen zu trennen, das ist ein mittelgroßes Stoffsackerl. Oder eine Einkaufstasche. Die du statt eines Wagerls nimmst. Das Gefühl, alles Notwendige beisammen zu haben, stellt sich eben markant früher ein, wenn du es durch den ganzen Laden schleppst. Sieh dir all die Multipack-Angebote an und stell dir folgende Fragen: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Handelsunternehmen daran interessiert ist, dass wir weniger Geld ausgeben? Und: Hätte ich fünf Kilo Butter gekauft, wenn sie nicht in Aktion wäre? Die Antworten sind einfach – Völlig unwahrscheinlich und Ich bin ja nicht blöd. Weil ich mir all das, was ich nicht brauche, ersparen kann. So einfach ist das.
Vielleicht hilft es ja, einmal sehr aufmerksam durch den Supermarkt zu gehen und bei den Aktions- und Multipacks, die uns ansprechen, so zu tun als ob. Als ob wir kaufen würden. Wie viel Geld würden wir dafür ausgeben? Wenn wir das zusammenrechnen, kommen wir auf die Summe, die wir uns tatsächlich ersparen. Willkommen an dem Punkt, an dem es beginnt, sich auszuzahlen. An dem du in deinem Stoffsack Dinge heimträgst, die du benötigst. Und alles andere liegen lässt.
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