Leben wie im Film

Gut, dass wir Vorbilder haben. Von ihnen lernen wir, was wir in welcher Situation denken, sagen, fühlen und – kaufen – sollen. Ja, natürlich auch das. Weil Lifestyle in Fernsehen, Film und Netz immer ein Preisschild hat. Wie praktisch! Von Held*innen und Cooling-Phasen.

Role Models

Wir sind Wesen, die sich am Modell orientieren. Am Vorbild. Was das betrifft, können wir uns nicht über Mangel beklagen, an Vorbildern nämlich. Jede Homestory in der Illustrierten, jedes Influencer*innen-Video, jeder Film und jeder Prospekt eines Einrichtungshauses zeigen uns, wie eine vollgeräumte riesengroße Wohnung aussehen könnte. Es regieren Dekowahn im Endstadium und horror vacui. Ja, ich weiß, die Natur fürchtet sich vor der Leere. Die muss einfach alles gleichmäßig mit dem befüllen, was gerade zur Hand ist. Dazu gibt es in der Thermodynamik den Ausdruck Entropie und in der Pädagogik den Ausdruck Kinderzimmer. Hier lässt sich schön beobachten, dass jedes System stets einem Zustand maximaler Unordnung entgegenstrebt.

White Russian mit dem Dude

Vielleicht erinnerst du dich an die Fernsehserie Sex and the city. Die Hauptfigur, eine New Yorker Sex-Lifestyle-Kolumnistin namens Carrie Bradshaw ist, abgesehen von Gedanken über das Paarungsverhalten von Großstädtern hauptsächlich damit beschäftigt, Luxusgüter in ihre Wohnung zu tragen; eine Wohnung übrigens, die für eine Kolumnistin im echten Leben niemals leistbar wäre.

Leben wie im Film oder wie in echt?

Ein Phänomen, das für fast alle Filmwohnungen oder Häuser gilt. Die Menschen, die darin wohnen, könnten mit den Berufen, die sie in ihrer Rolle ausüben, nicht einmal annähernd die Miete zahlen. Von der Innenausstattung und dem Inhalt der Kleiderschränke ganz abgesehen.

Das macht was mit uns. Hier sind unsere Vorbilder. Mit ihnen und ihren Freuden und Nöten fühlen wir uns durch Kinoabende und ganze Staffeln. Mit ihnen identifizieren wir uns, so wollen wir auch sein. So leben, so aussehen, solche Autos fahren und Urlaube machen, solche Cocktails trinken. White Russian, zum Beispiel, Wodka, Kaffeelikör und Milch. Vielleicht erinnerst du dich an den Dude aus The Big Lebowski, Jeff Bridges und seinen angepissten Teppich. In dem Film trinkt er bei jeder Gelegenheit einen White Russian. Und ja, natürlich hab ich das ausprobiert. Wie alle, die ich kenne, die den Film kennen. Den Film mag ich immer noch, den Drink lasse ich aus.

Kauf Dir ein Leben!

Meine Ex-Chefin erzählte mir einmal von einem juvenilen Teilnehmer einer ihrer Jobcoaching-Projekte. Der junge Mann, bar jeglicher Ausbildung und beruflicher Ersterfahrung,  ging ihr konsequent mit seinen Rosinen im Kopf auf die Nerven. Dickes Auto, dünne Freundin, große Villa, kleine Skrupel in der Generierung leistungslosen Einkommens. Kein Klischee, das er ausließ. Er nervte derart mit den Schilderungen des Lebens, das er ehebaldigst zu führen gedachte, dass sie ihm schließlich zehn Cent rüber schob, mit dem Vermerk „Da. Kauf dir ein Leben.“ Dann war endlich Ruhe.

Imagetransfer

Die – sorry, schon wieder das K-Wort – kapitalistische Wirkungsweise des menschlichen Nachahmungstriebes schnurrt wie frisch geölt. Wenn ich so sein will wie die lässige Figur im Film, muss ich was kaufen. Im Marketing heißt das Imagetransfer, im Tierreich fremde Feder.

Preisfrage: Was wäre in deinen Augen am Image deiner geliebten Film-, Buch- oder Theaterfigur anders, würde er oder sie sich nicht mit emblematischen Konsumartikeln umgeben? Wenn im Film ein Typ mit schwarzem Rollkragenpulli und Hornbrille im Saab-Cabrio vorfährt, dann weiß ich, der Architekt ist da. Und wer Prada trägt, hat zumindest das Zeug zum Teufel. Welches Grundgesetz, welche Relevanz des Nutzlosen ist es, das Lebensstil und Konsumgüter zusammenschweißt? Mir fällt da nichts ein, außer das alte Mantra: Der Markt will es. Verzeih bitte, wenn ich mich wiederhole. Aber das tut die Werbung schließlich auch, daran solltest du dich gewöhnt haben.

Eine Runde um den Block

Mehr Suffizienz im Lebensstil, das heißt, dass ich noch eine Runde um den Häuserblock gehe, bevor ich zuschlage und irgendwas kaufe, weil es mein Vorbild auch hat. Eine Art Cooling-Phase, wenn du so willst, wie beim Waffenkauf (Wozu brauchst du eine Waffe? Kauf ein gutes Buch. Le savoir est une arme!) Auf dieser Runde frage ich mich, was genau ich mit dem Ding anstelle. Wie es mein Leben bereichert. Wo ich Platz dafür finde. Wie oft am Tag, im Monat ich es benütze. Was ich mit dem Geld sonst noch anstellen könnte. Wie wichtig es mir ist, so zu sein wie ein anderer Mensch. Ob es nicht manchmal reicht, ich selbst zu sein. Du ahnst schon, wie sowas ausgeht. So gut wie immer bleibt das Ding am Ende dort, wo es mir am meisten nützt. Im Geschäft. Und, nein, das war nicht immer so. Weil ich ganz genau weiß, wie sich ein Impulskauf anfühlt. Habe ich erlebt, hunderte Male.

Heute bin ich, was das betrifft, ein, sagen wir, großteils trockener Nachahmungskäufer und gehe gern mit federleichtem Gepäck durchs Leben.

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